31 - (S)LO(W)FOTEN

Fred, mit dem ich vor ein paar Tagen unterwegs war, hat den Begriff der

(S)Lo(w)Foten

erfunden. Weil es hier so schön ist, planen gefühlt alle, die hier mit dem Fahrrad unterwegs sind, sich mehr Zeit ein.

Ich hab’ mir heute sogar einen ganzen Tag Pause rausgelassen. Bevor ich mich an meine letzten neun Tage mache, möchte ich fit und ausgeruht sein. Georg hat nämlich erzählt, dass es Richtung Nordkapp noch richtig kalt und ungemütlich wurde. Er ist vorgestern dort angekommen.

Deshalb hab’ ich heute ausgeschlafen. Beim frühstücken mit Blick aufs Meer hab ich mir dann Gedanken zum Tag gemacht. Tabea und Paul, die hier ja gerade mit dem Camper unterwegs sind, hatten mir das Lofoten Beach Camp empfohlen. Das war nur sportliche 1,78 Kilometer von meinem Schlafplatz entfernt.

Ehrlich gesagt habe ich mich wirklich gefragt, ob das nicht total faul sei, dort direkt auf den Campingplatz zu gehen. Und ob ich nicht wenigstens ein paar Kilometer fahren sollte. Aber dann hab ich gedacht

Nein Léoni, du machst das jetzt. Das wird gut tun.

Also hab ich meine Sachen aufs Fahrrad gepackt, was für die Strecke total lächerlich wirkte. Ich hätte ja rüberlaufen können. Und dann bin ich in Adiletten und ohne Helm aufs Fahrrad gestiegen und kurz zwei Kurven weiter gerollt.

Der Campingplatz hier liegt direkt am Strand. Und es gibt eine Beach Bar mit Café, wo ich mir erstmal einen Brownie und eine Heiße Schokolade gegönnt habe.

Wirklich hier einzuchecken, hat mich dann nochmal eine Stunde Überwindung gekostet. Ich glaube man hat in den letzten Wochen schon gemerkt, dass ich wirklich ein chronisches Problem mit dem Langsam-Machen und Pausieren habe. Ich habe ständig das Gefühl, zu wenig zu machen. Die Angst, Zeit zu “vergeuden”, begleitet mich in den letzten Tagen fast täglich. Ich frage mich oft, woher das kommt. Wahrscheinlich ist das das Ergebnis davon, dass unsere Gesellschaft permanent von Einflüssen überflutet wird. Absolut nichts zu tun, das hat meine Generation quasi verlernt. Multi-Tasking ist die Devise.

Nach einer kleinen Erkundungstour von Strand und Zeltwiese direkt daneben, habe ich mich aber endgültig davon überzeugen lassen, hier zu bleiben. Lieber jetzt an einem schönen Ort einen Tag verbringen, als dann kurz vor dem Nordkapp irgendwo verharren zu müssen, weil Olis und mein Zeitplan nicht aufgeht.

Mein Zelt habe ich ganz hinten auf der Zeltwiese aufgebaut. Dort wo fast niemand vorbeikommt. Hier habe ich sogar einen kleinen Picknick-Tisch für mich. Und freie Sicht auf das Meer. Das ist superschön.

Und dann habe ich im offenen Zelt rumgefläzt. Ein bisschen recherchiert, ein bisschen gesnackt. Die Aussicht genossen. Habe mir Zeit genommen, um Nachrichten zu beantworten, die sich in den letzten Tagen angesammelt haben. Um Fotos auszusortieren und Musik zu hören. Und Zeit für meine Gedanken.

Und nachmittags hab’ ich dann noch was ganz wildes gemacht. Weil Fanny - eine passionierte Schwimmerin und In-den-Main-Springerin - mich schon seit Tagen damit nervt, ob ich endlich Baden war, hab ich das einfach gemacht. Es ist ja angeblich sowieso so, dass die Seefahrer früher, immer wenn sie den Polarkreis überfahren haben, baden gegangen sind. Dann gehört das wohl auch für mich dazu. Vielleicht bringt es ja Glück!

Wer mich ein bisschen kennt, weiß aber, dass ich kaltes Wasser echt nicht leiden kann. Heute hat es eine halbe Stunde gedauert, bis ich es geschafft habe. Ewig lang bin ich da gestanden, mit den Zehen im Wasser und hab mir gedacht

Das ist viel zu kalt. Man stirbt bestimmt an einem plötzlichen Herzstillstand.

Als ich irgendwann dann in Radhose und Sport-BH in die Wellen gerannt bin, war es garnicht so schlimm, wie erwartet. Zwar sehr kalt, aber mein Herz hat tapfer und regelmäßig weitergeschlagen. Obwohl das Wasser hier laut Internet gerade nur 10 Grad hat. Beim wieder raus rennen hat alles geprickelt. Ich fand mich ziemlich mutig und war ein bisschen stolz auf mich. Und lebendig hab’ ich mich gefühlt! Mit klappernden Zähnen bin ich schnell zu den Duschen marschiert. Die heiße Dusche hatte zwar einen ziemlich erbärmlichen Wasserstrahl, hat sich aber so gut angefühlt, wie lange keine mehr.

Heute Abend hab’ ich mir noch einen Fischburger und ein alkoholfreies Radler in dem Restaurant gegönnt. Ich fühle mich fast dekadent dabei, weil ich heute nur 1,78 Kilometer geradelt bin. Aber eigentlich hab’ ich mir das glaub ich verdient.

Jetzt gehe ich mal richtig früh schlafen, damit ich morgen voller Kraft weiterfahren kann.

Léoni

-

Tourdaten

KM gesamt: 3494,16

HM gesamt: 35930

Zeit gesamt: 182:32

-

KM heute: 1,78

HM heute: 17

Zeit heute: 0:13

-

Aktueller Standort

8380 Ramberg, NO


Kommentare