Kapitel 32 // 2 . 5 1 4
32 Tage
2.514 Kilometer
18.020 Höhenmeter
157 Stunden und 26 Minuten
So viel mal zu den hard facts. Ich starte aber erstmal am Anfang meines allerletzten Fahrrad-Tages.
Ich wollte eigentlich richtig früh morgens losfahren. Die Vorfreude auf zuhause war einfach so wahnsinnig groß. Als ich wach geworden bin, war es noch dunkel und total frisch. Mein Zelt war klatschnass und mir war richtig kalt. Trotzdem bin ich schon mit meinen Klamotten in die Sanitäranlagen gelaufen, habe mich angezogen und für den Tag bereit gemacht. Und da ist mir was richtig blödes aufgefallen. Meine PowerBank war wohl nicht richtig angeschlossen gewesen und hatte die ganze Nacht nicht geladen. Jetzt stand ich da also, mit 15% Handy-Akku, einer leeren PowerBank und zwei Beinen, die es kaum erwarten konnten, endlich aufs Fahrrad zu steigen und die letzten Kilometer nachhause zu fahren. Es war, als würde mein Schicksal mich ein bisschen ausbremsen wollen.
Ich habe meine Sachen trotzdem eingepackt, während meine PowerBank eine halbe Handy-Ladung in den Duschräumen gezapft hat und bin dann um kurz nach 8 losgefahren. Wie genau der Weg dann verlief, muss ich Dir ja jetzt wirklich nicht erzählen, immerhin war das exakt die gleiche Strecke, wie am ersten Tag. nur eben in die andere Richtung. Ich habe mich komisch gefühlt. Einerseits ging es mir kaum schnell genug, ich habe volle pulle in die Pedale getreten. Andererseits habe ich dem Ende meiner Tour auch irgendwie mit einem weinenden Auge entgegen geschaut. Es war komisch, zu wissen, dass mein Fahrrad-Leben bald wieder vom Alltags-Rhythmus abgelöst sein würde.
Kurz vor der Oberlenninger Steige habe ich einen älteren Herr getroffen, mit dem ich mich richtig gut unterhalten konnte. Er war ziemlich interessiert an meiner Reise und irgendwie lustig drauf, wir haben total viel gelacht. Die Serpentinen runter war er zwar viel schneller als ich, aber unten hat er sogar noch gewartet, um mir einen schönen Tag und eine gute Heimreise zu wünschen. Das war ein richtig toller Moment. Ich habe mich so wahnsinnig gefreut und zum ersten Mal das Gefühl gehabt, es wirklich fast geschafft zu haben. Kurz vor Nürtingen hat mich ein Moutainbike-Fahrer mit einem
"Oh toll, eine Radreisende!"
überholt. Da musste ich richtig grinsen, das hat meine Waden nur so beflügelt. In Oberensingen musste ich in einer Bäckerei kurz Pause machen und meine PowerBank ein bisschen laden. Mein Handy-Akku war fast leer. Zwar kannte ich den Weg ja schon ziemlich gut, aber bei meinem schlechten Gedächtnis biege ich trotzdem oft mal falsch ab. Da ist mein Handy als Backup-Navigation schon ganz hilfreich.
Arg viel länger als eine halbe Stunde habe ich es dort aber nicht ausgehalten. Ich bin weitergefahren, ohne wirklich was gegessen zu haben. Auf den nächsten Kilometern hab' ich das ganz schön gemerkt. Ich hatte das Gefühl, plötzlich auf einen Schlag die ganze Strecke der letzten Wochen zu spüren. Komisch, sich kurz vor dem Ziel so schwach zu fühlen.
Kurz hinter Aich bin ich mal wieder an einer bekannten Stelle vorbeigekommen. Auf dem Spielplatz am Fahrradweg haben wir vor ziemlich genau 16 Jahren auf unserer Tour nach Bad Tölz schonmal Pause gemacht und Fanny und ich durften ein bisschen aus dem Anhänger raus und spielen. Papa hat mir das erzählt, als wir letztes Jahr hier zusammen vorbeigefahren sind. Ich habe noch überlegt, anzuhalten und ein Foto zu machen, mich dann aber wegen den Hummeln im Popo dagegen entschieden. Mit meinen 14km/h bin ich weitergefahren. Als ich gehört habe, wie sich von hinten ein Fahrrad nähert, war ich darauf eingestellt, gleich schon wieder überholt zu werden. Das Fahrrad hat langsam zum Überholen angesetzt, ist aber dann kaum schneller gefahren als ich und neben mir her gerollt. Ich habe, wie in so einer Situation immer, erwartet, dass die andere Person zu sprechen beginnt und mich grüßt oder einen Kommentar zu meinem beladenen Fahrrad abgibt, bevor sie mich dann endgültig überholt. Als nichts kam, habe ich langsam zur Seite geschaut. Ein paar Sekunden habe ich gebraucht, um zu realisieren, wer da auf dem Fahrrad sitzt. Und dann ist mir die Kinnlade runtergeklappt. Ich habe mich fast erschrocken, so wenig habe ich das kommen sehen. Da saß er einfach auf seinem Fahrrad und hat mich grinsend gefilmt. Mein Papa. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Vor Freude musste ich gleichzeitig richtig lachen und dann auch ein bisschen Weinen. Die ganze Anspannung der Reise ist auf einmal von mir abgefallen. Ja, klar, ich hatte am Wochenende ja auch eine richtig schöne Pause und hatte schon Fanny und Oli gesehen. Aber das war eben eher eine Pause. Jetzt hatte ich das Gefühl, wirklich im Prinzip schon angekommen zu sein. Ich wusste, dass mit Papa an meiner Seite eigentlich nichts schief gehen konnte und es sicher war, dass ich es nachhause schaffen würde. Und das war ein tolles Gefühl. Und Papa hat sich natürlich einen Keks gefreut, dass seine Überraschung funktioniert hat und er mich noch ein paar Kilometer begleiten und nachhause bringen konnte.
Zusammen sind wir nochmal kurz zurück zum Spielplatz gefahren und haben eine kleine Pause eingelegt. Und dann sind wir die letzten Kilometer nach Döffingen gefahren. Und es war richtig schön. Ich konnte schon ganz viel erzählen und Papa hat zugehört und mit seinen strammen Waden das Tempo angegeben. Da waren wir ganz schön schnell unterwegs. Kurz vor Sindelfingen hat mein Tacho die 2.500 Kilometer geknackt.
Und dann bin ich endlich hier angekommen. Einfach so und ohne großes Tamtam. Das war schon ein ziemlich krasses Gefühl, von der anderen Seite in die Straße reinzufahren und plötzlich vor dem Haus zu stehen. Ich kann das gar nicht in Worte fassen. Vielleicht sieht man das auf dem Foto, da sehe ich von der ganzen Heulerei noch ein bisschen zermatscht aus. Und gleichzeitig auch sehr glücklich. Vor allem aber wahnsinnig ungläubig darüber, dass es tatsächlich vorbei ist.
Tja, und was soll ich sagen. Das war's. Nach 32 Tagen, 2.514 Kilometern, 18.020 Höhenmetern, 157 Stunden und 26 Minuten, 5 Ländern, 7 Grenzen, einem Gebirge, einem Meer, 25 Nächten im Zelt, zum Glück nur einem Sonnenbrand, dafür aber geschätzten 389.471 Mückenstichen, ungefähr 100 Litern Wasser und wahnsinnig vielen verbrauchten und gegessenen Kalorien; vor allem aber unglaublich vielen tollen Begegnungen, kleinen Abenteuern und Herzschlagmomenten, ist diese Reise für mich zu Ende. Und damit (vorerst) auch dieser Blog.
Die richtigen abschließenden Worte zu finden fällt mir oft schwer. Diesmal ist es aber ganz leicht. Mein Rat: fahr Rad. Egal wo, egal wie, egal wann. Fahr einfach Rad. (Wenn du kein anderes zur Verfügung hast, ist ein E-Bike auch ok.)
Léoni






Liebe Léoni,
AntwortenLöschenauch wenn Du es kaum glauben wirst, aber wir von Donau-Lech-Camping haben Dich auf Deiner gesamten Tour begleitet und täglich mit Spannung Deinen Blog gelesen. Egal ob es der besonders tiefe Test in Deiner Nase, Dein Sturz, die Übernachtung im Keller und viele weitere interessante Dinge die Du erleben durftest sind, wir waren immer dabei.
Es hat uns auch ganz besonders gefreut, dass Du wieder unseren Campingplatz (2. Donauwörth) besucht hast. Du bist uns jederzeit gerne wieder herzlich willkommen.
Herzliche Grüße
Michael und Team
P.S. Du bist immer noch die Rekordhalterin mit 160 Kilometern (in 2020) und auch dieses Jahr war das höchste 121 Kilometer. Ich denke das ändert sich auch so schnell nicht. ��
Hallo liebes Team vom Donau-Lech-Camping! Das freut mich wirklich sehr zu hören, dass ich auch so versteckte Leser hatte, wie euch. Vielleicht komme ich ja wirklich mal wieder vorbei. Viele Grüße und ein großes Dankeschön für den guten Service!
LöschenLéoni
P.S. Nächstes Mal ja dann vielleicht mit neuem Rekord 😉