25 - SOMMER

Heute wird der Post wirklich nicht besonders lang. Ehrlich gesagt ist auch schon der nächste Morgen. Ich bin gestern so müde ins Bett gefallen, dass ich es nicht mehr zum Schreiben geschafft habe. Und jetzt möchte ich irgendwie auch zügig weiter. Da trifft es sich ganz gut, dass es gestern sowieso nicht viel zu erzählen gab.
Als ich morgens aufgewacht bin, war es schon richtig warm in meinem Zelt. Und beim Rauskrabbeln konnte ich meinen Augen kaum trauen. Blauer Himmel! Der hat mich dann auch den ganzen Tag begleitet.

Die Etappe, die ich gefahren bin, war ziemlich schön, aber unspektakulärer als die letzten.

Bis auf die Kameraden hier, die ich am Straßenrand getroffen hab‘!

Die meiste Zeit ging es durch den Wald, durch richtiges Elch-Terrain. Ich habe aber leider keinen weiteren gesehen.

Es wurde mittags richtig richtig warm. 26 Grad hat mein Fahrradcomputer angezeigt. Eine ganz schöne Herausforderung für den Kreislauf, nachdem es am Morgen zuvor nur gefühlte zwei Grad gehabt hatte.
Aber eigentlich liebe ich den Sommer ja. Deshalb hab ich mich gefreut.

Es hat nach warmem Asphalt gerochen und nach Wald und nach Meer. Alles wirkte intensiver, frischer.
Wenn es regnet liegt immer so ein komischer fischiger Regengeruch in der Luft. Meine Mama dann sagt immer
Ça sent les vers de terre!
also französisch für: es riecht nach Regenwürmern.
Und weil mich der Regenwurmgeruch so oft begleitet hat in der letzten Woche, war ich gestern so froh, als ich plötzlich Fichtennadeln und Asphalt riechen konnte.

Mittags bin ich noch durch zwei kleinere Städte gefahren, aber nachmittags gab es dann ganz wenig Orte entlang der Route. Es war fast ein bisschen einsam, aber irgendwie auch schön.

Um 18 Uhr bin ich in Lund an der Fähre angekommen. Dort hab‘ ich auch Timon getroffen, den ich tagsüber schon einige Male gesehen hatte. Er ist zwar deutlich schneller unterwegs, als ich, aber macht mehr Pausen. Deshalb hat er mich immer wieder überholt. An der Fähre haben wir uns erst richtig kennengelernt und uns auch echt gut verstanden. Sein Aufhänger für die Reise (Oslo - Tromsø) ist, dass er auf einem bekannten Felsen auf den Lofoten bouldern will. Find ich ziemlich cool.

Weil ich wusste, dass ich nach der Fähre nur noch einen Kilometer zum Campingplatz rollen musste, hab ich mir noch eine Pommes reingeknallt. Sowas ist immer gefährlich, weil das den Hunger erst richtig anheizt. Ich muss mich also darauf vorbereiten, danach einen Fressflash zu bekommen. Aber dafür hatte ich auf der Fähre ja dann 30 Minuten Zeit.
Abends auf dem Campingplatz, als ich meine Kilometer addiert habe, hat mich plötzlich ein ganz starkes Gefühl von Freude übermannt. Ich habe quasi schon zwei Drittel meiner Kilometer geschafft. Das ist wirklich verrückt. Am Anfang der Reise war es so, dass ich eher komische Blicke bekommen habe, wenn ich erzählt habe, wo ich hinfahre. Als ich in Göttingen auf dem Campingplatz war, wurde ich gefragt, wo ich herkomme. Das ist so das Ding, das die Deutschen zuerst fragen. Und wenn ich dann von Stuttgart erzählt habe, haben sie wahrscheinlich gedacht, ich mach eine Woche Stuttgart-Hamburg.
Was?! Ans Nordkapp?!
war dann meistens die Reaktion, wenn ich von meinem Plan erzählt hab.
Da hast du aber noch einiges vor dir!
oder
Da bist du aber noch lange unterwegs!
Waren die klassischen Antworten.
Aber das witzige ist: jetzt ist es eher andersrum. Wenn mich andere Radreisende oder Touristen oder Norweger ansprechen, dann sagen sie meistens direkt
So I guess you‘re going to North Cape?
Weil eigentlich fast jeder Radreisende hier weit in den Norden will. Und wenn man schonmal hier ist, dann ist das ja auch garnicht mehr so weit. 1516 Kilometer hab ich noch auf dem Plan. Das ist schon eher so eine Radreise, die für viele Leute sehr gut machbar ist.
Meistens werde ich hier aber auch noch gefragt, wo losgefahren bin. Wenn ich dann sage
I come from Stuttgart, Germany
dann sagen die meisten
Ok, but where did you start?
Das finde ich dann immer ein bisschen witzig. Als würden sie von mir erwarten, dass ich in Bergen oder Trondheim gestartet bin. Wenn ich versichere, dass ich wirklich in Stuttgart losgefahren bin, dann bekomme ich oft Blicke aus ganz großen Augen.
So how many days are you travelling already?
wurde ich vor zehn Tagen zum Beispiel gefragt.
Sixteen!
Oh, you mean Sixty?
No - Sixteen.
Und jetzt sind’s schon 26. Und heute Morgen, während ich diesen Beitrag schreibe, ist schon Tag 27. Heute in zwei Wochen möchte ich am Nordkapp sein. Der Countdown läuft.
Léoni
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Tourdaten
KM gesamt: 2964,22
HM gesamt: 30333
Zeit gesamt: 156:27
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KM heute: 138,49
HM heute: 1598
Zeit: 6:50
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Aktueller Standort
7970 Kolvereid, NO






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