20 - TEILEN

Weil es heute fast andauernd geregnet hat, gibt es diesmal wenig Fotos. Eigentlich nur zwei. Aber ich möchte euch trotzdem ein bisschen von meinem Fahrrad-Tag und meinen Gedanken erzählen.
Heute Nacht war es ziemlich frisch und ich hatte beim Schlafen zum ersten Mal ein bisschen mehr an, als nur T-Shirt und Unterhose. Vor dem ganzen Regen war mein Zelt, dass ich unter einem großen Baum aufgestellt hatte, zum Glück ein bisschen geschützt. Aber trotzdem war alles nass, als ich heute Morgen aufgestanden bin. Außerdem war das irgendwie auch der erste Campingplatz in Norwegen, an dem die Sanitäranlagen garnicht beheizt und ziemlich kalt waren. Ich hab‘ mich also beeilt, um in Bewegung zu bleiben. Und hab‘ mich direkt voll in Regenmontur ausgerüstet. Weil es im Aufenthaltsraum total nach Biomüll gestunken hat, hab‘ ich lieber im Zelt gefrühstückt. Um meine ganzen Sachen dann im Trockenen ans Fahrrad zu packen, hab’ ich alles dann unter ein kleines Vordach vor der Campingküche und den Klos gebracht.
Ein Mann hat mich angesprochen - zuerst natürlich auf Englisch. Aber an unseren Akzenten haben wir es uns gegenseitig wohl schnell angemerkt, dass wir beide deutsch sind. Er war sehr freundlich und hat mir Frühstück und Kaffee angeboten. Das hatte ich ja aber schon hinter mir. Und ein bisschen hatte ich auch Hummeln im Hintern. Ich wollte einfach langsam loskommen.
Als ich meinen Luftdruck in den Reifen nochmal ein bisschen nachbessern wollte und mich mit meiner Pumpe ans Werk gemacht hab‘, wurde ich direkt von einer Niederländerin angesprochen, ob ich eine richtige Fahrradpumpe möchte. Kurzerhand holte sie eine echte Standpumpe mit Druckanzeige aus dem Camper. Ich schwebte im siebten Himmel.
I have so much respect for you.
sagte sie zu mir, während ich pumpte. Davon war ich sehr gerührt. Solche Momente machen mich stark. Das löst ganz viel in mir aus, auch wenn es für sie nur ein kleiner Satz ist. Ein Gedanke, den sie mit mir teilt.
Als ich Probleme hatte, Luft in meinen Hinterreifen zu bekommen, kam ihr Mann auch noch dazu. Und der Deutsche, der mir Frühstück angeboten hatte, bot auch seine Hilfe an. Der Schlauch der da eingebaut ist, hat ein ziemlich kurzes Ventil und so ist es schwer, es tief genug in die Pumpe zu bekommen, um Luft reindrücken zu können. Aber am Ende musste ich gar nichts machen. Der Niederländer drückte das Ventil dran und der Deutsche pumpte und ich musste nur ansagen, wie viel Bar ich im Reifen wollte. Das war spitze!
Als ich mich später bedankt und meinen Blog verteilt habe, hatte ich richtig viel Freude in mir. Solche Begegnungen sind toll. So simpel aber so wertvoll.
Und dann bin ich in den Regen losgefahren. Und es hat wirklich nicht aufgehört. Es war zwar nicht die ganze Zeit so ein starker Regen mit großen Tropfen, aber es kam die ganze Zeit irgendwie Wasser vom Himmel.
Bis zur ersten Autofähre waren es glaub‘ ich nur so 20 oder 25 Kilometer. Dort hab‘ ich dann lustigerweise die Niederländer wiedererkannt. Als ich auf der Fähre an ihrem Auto vorbeigelaufen und gewunken hab, haben sie sich sehr gefreut.
Dann bin ich Richtung Ålesund weitergefahren. Das waren nochmal so 25 Kilometer. Ich wusste, dass ich dort nochmal eine Fähre nehmen musste, aber die nächste kam erst um 14:20 Uhr. Als ich in der Stadt ankam, war es aber erst 13 Uhr. Also hab‘ ich die Zeit genutzt und mir in der Nähe des Hafens in der Altstadt noch was zu Essen gesucht. Zu meiner Begeisterung hab‘ ich ein kleines authentisches italienisches Café gefunden - mit Focaccia und italienischer Limonade.
Nachdem ich am Tresen bestellt hatte, stellte ich fest, dass es keinen freien Einzeltisch mehr gab. Aber als ich da so stand mit meiner Limo in der Hand und wohl ein bisschen hilflos aussah, winkte mir eine ältere Frau zu, die alleine an einem Zweiertisch saß.
I‘m on my own anyway!
Dankend hab’ ich das Angebot angenommen. Wie sich herausstellte, war sie Britin und auf einer Kreuzfahrt unterwegs. Ihr Schiff hatte mit zwei anderen Kreuzfahrtdampfern im Hafen angelegt. Deshalb war die Stadt auch so überfüllt!

Wir unterhielten uns ein bisschen über unsere Reisen und das war sehr amüsant. Wir hätten wohl kaum unterschiedlicher sein können. Als sie mich gefragt hat, wo ich denn hinfahre, und ich vom Nordkapp erzählte, konnte sie mir kaum glauben.
You‘re mad!!
Maybe a little bit. Wir saßen noch zusammen, bis ich mir meine zwei Stücke Focaccia reingedrückt hatte. Dann verabschiedete sie sich und ich machte mich auch auf den Weg zum Fahrrad.
Mit der Fußgängerfähre bin ich nach Hamnsund gefahren. Ich hatte nur knappe 20 Kilometer bis zur nächsten Autofähre. Die hab ich stumpf durchgezogen. Glücklicherweise gab es heute nicht zu viele Höhenmeter auf meiner Route, sodass ich immerhin gut voran kam. Aber die ganzen Fährfahrten kosten halt auch einfach viel Zeit. Es ist zwar selten so, dass man lange auf eine Fähre warten muss. Aber die Fährfahrt dauert dann im Schnitt auch nochmal 20-30 Minuten und dann geht in Summe schnell man eine Stunde drauf.
Mit der Autofähre bin ich auf die Insel Otrøya gefahren. Und der Regen hörte leider immernoch nicht auf. Als ich dort ausgestiegen bin, war es so windig, dass mir das Wasser wirklich von allen Seiten entgegenkam. Langsam hab‘ ich gemerkt, wie viel Energie mir das geraubt hat. So komplett dem Wetter ausgesetzt zu sein ist zwar auch irgendwie beeindruckend und überwältigend und schön weil man sich so „draußen“ fühlt. Aber es kostet viel mehr Kraft, als entspannt, ohne Wind, in der Sonne vor sich hin zu radeln. So hat es viel mehr mit Abenteuer zu tun. Alles ist wild, es geht einfach nur noch darum, durchzuhalten und bis ans Ziel zu kommen.
Und mein Ziel, das war um 16:45 Uhr noch 60 Kilometer entfernt. Ich hab‘ dann beschlossen, nur noch 15 Kilometer bis zum nächsten Campingplatz zu fahren. Meine Füße, die dank meiner quasi wasserdichten Socken bis zum Nachmittag trocken und warm geblieben waren (was echt schon eine starke Leistung ist!), wurden inzwischen auch kalt und feucht. Und ich finde immer, wie sich die Füße anfühlen, spielt schon eine sehr große Rolle fürs allgemeine Wohlbefinden.
Mit dem Gefühl, meine Etappe nicht geschafft zu haben, konnte ich, als ich am Campingplatz ankam, nicht so gut umgehen. Aber der Wunsch nach einer heißen Dusche war einfach größer. Und jetzt im Nachhinein, beim drüber Nachdenken, find ich 82 Kilometer im Dauerregen eigentlich schon ok.
Die Frau am Campingplatz war total nett und bot mir direkt an, den Trockner zu verwenden. Und glücklicherweise hörte der Regen auch plötzlich auf, als ich am Campingplatz angekommen war. Ich konnte mein nasses Zelt also immerhin im Trockenen aufbauen.
Die heiße Dusche und eine Nudelsuppe haben mir dann wieder ein bisschen Wärme und Leben zurückgegeben und dann war ich eigentlich ganz froh. In eine dicke Decke gehüllt habe ich im Aufenthaltsraum noch mit Mama und Oli gefacetimed. Krass, dass in Deutschland einfach Sommer ist und ich hier bei 10 Grad sitze.
Jetzt wo ich im Bett liege, möchte ich eine Sache nochmal ganz besonders erwähnen. Daher kommt auch der Titel dieses Beitrags. Die erste Hälfte meiner Reise ist schon vorbei. Und ich habe schon so unglaublich viele Nachrichten bekommen. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar. Von
Hey Schwesti, wie geht’s dir, du bist ja schon voll weit, krass!
bis zu richtigen Romanen ist wirklich alles dabei. Und ich freu mich über jede einzelne davon. Danke, dass ihr eure Gedanken mit mir teilt. Ihr könnt euch garnicht vorstellen, wie verdammt viel Kraft mir das gibt. Zu wissen, dass es zuhause und auch an vielen anderen Orten ganz weit weg von mir Menschen gibt, die an mich denken, das macht mich wirklich stark.
Heute hat Mama zu mir gesagt
Ich hoffe nur, dass du das alles für dich machst, und nicht für die anderen.
Klar mach‘ ich es für mich. Und es gibt auch wirklich viele, viele Momente, die ich hier garnicht teile. Weil das den Rahmen sprengen würde oder weil man gewisse Dinge einfach nicht übers Handy erklärt bekommt. Aber das ist auch gut so. Aber ich finde es wirklich auch schön, dieses Reisetagebuch hier zu schreiben, um zu verarbeiten, was ich erlebe. Und ich finde es schön, dass ich das teilen kann. Für mich ist das der richtige Weg.
Also - macht weiter so. Teilt eure Gedanken. Schreibt oder sagt Menschen, was euch bewegt. Was ihr gut findet, oder schlecht. Manchmal kann das für das Gegenüber so viel ausmachen. Eine ganz kleine Nachricht oder Geste kann schon so viel bedeuten. Und ob man so eine erhaltene Nachricht dann lesen will, oder nicht, das kann man dann ja immernoch ganz frei entscheiden.
Léoni
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Tourdaten
KM gesamt: 2359,12
HM gesamt: 23113
Zeit gesamt: 125:42
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KM heute: 82,04
HM heute: 857
Zeit: 4:15
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Aktueller Standort
6475 Midsund, NO






Hi Leoni, dann schicke ich Dir auch mal die Besten Grüße in den wirklich hohen Norden! Ich freu mich jedes Mal, wenn ich durch Deinen Blog stöbere und mir die Bilder anschaue. Ich muss gestehen - da bin ich zum Teil auch echt neidisch. Auf der anderen Seite, hätte ich leider nicht genug Kondition für so einen Fahrrad-Trip. Ich wünsche Dir maximale Lebensqualität und nur tolle Erfahrungen!
AntwortenLöschenDanke Thomas!
LöschenDas freut mich sehr. Für so einen Trip hat jeder genug Kondition - das kommt von ganz allein hab ich gemerkt :-) immer schön stetig und ohne Druck. Viele Grüße aus Kristiansund!