17 - RESERVE

Meinen Blogbeitrag über Tag 17 werde ich zur Abwechslung mal ein bisschen kürzer halten.

Heute ist etwas passiert, dass schon ein paar Tage vorhersehbar war. Ich hab ordentlich was von meinen Reserven verbraucht.

Als heute Morgen um 5:30 Uhr der Wecker geklingelt hat, hab ich mich ganz schön müde gefühlt. Meine Luftmatratze hat nachts ihren Willen, sich zusammenzureißen, komplett aufgegeben. Ab eins lag ich auf dem Boden. Und ich hatte keine Lust mehr, das bekloppte Ding aufzublasen. Zumal das Geräusch dabei so unangenehm knatschig ist, dass die Freiburger nebenan sicher auch wach geworden wären. Also hab ich auf dem Boden weitergeschlafen. Für die Verhältnisse ging’s mir ziemlich gut, aber richtig fit hab ich mich nicht gefühlt.

Zackig hab ich alles zusammengepackt und bin dann zur Fähre gefahren, der Sonne entgegen. Als die Fähre ankam, war sie bis auf einen Fußgänger komplett leer. Und es stiegen nur ein weiterer Fußgänger und ich ein. Mein Fahrrad stand dann ganz einsam auf der riesigen Ladefläche.

In dem Ort in dem die Fähre anlegte, gab es einen kleinen Supermarkt direkt am Wasser. Und dort hab’ ich dann mal wieder meine Vorräte aufgefüllt. Dabei hab’ ich es mal wieder so übertrieben, dass ich echt Probleme hatte, alles einzupacken. Ich musste nochmal ein ordentliches Frühstück essen und danach wieder eine Tüte an den Lenker hängen.

Weil am letzten Campingplatz das Wasser ziemlich widerlich geschmeckt hat, obwohl es laut Betreiber getestet und trinkbar war, hatte ich seit gestern Abend nur meine Fahrradflasche voll Wasser gehabt. Ein nettes Paar vom Campingplatz hatte mir was aus dem Kanister abgefüllt, als sie gesehen hatten, dass ich das Leitungswasser trinken wollte. Und deshalb hab’ ich mich heute Morgen dann total auf frisches Wasser gefreut. Ich hab’ gleich drei Liter gekauft. Aber als ich die Flasche aufgedreht hab’ und es laut gezischt hat, hab’ ich innerlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Ich kann Sprudel eigentlich echt nicht leiden. Mein Körper kommt damit nicht klar, die Kohlensäure kommt dann ständig durch diverse Körperöffnungen aus mir raus.

Wie sich ein Kilometer nach dem Supermarkt herausstellte, kann meine Trinkblase Sprudel auch nicht leiden. Ich hab’ plötzlich so einen Druck von hinten in meinem Rucksack verspürt, dass ich angehalten hab’. Die Trinkblase war kurz vorm platzen. Sie hatte sich innerhalb kürzester Zeit so aufgebläht, dass ich sie garnicht mehr aufbekommen habe. Ich hatte wirklich Schiss, dass mir das Ding um die Ohren fliegt. Das wäre sicherlich mit Abstand der dümmste Grund gewesen, diese Reise abbrechen zu müssen.

Über das Trinkventil hab ich fast einen halben Liter ablassen müssen. Das Wasser ist mit gefühlten 18 bar da raus gespritzt, so dass ich mir beim Versuch zu trinken sicherlich das Zäpfchen zerfetzt hätte. Nie mehr Kohlensäure in das Teil! Ab jetzt lese ich die Flaschenbeschriftung immer ganz genau.

Heute hab ich die Müdigkeit dann irgendwie plötzlich richtig gespürt. Ich hatte das Gefühl, dass sich wirklich was angesammelt hat. Den ganzen Vormittag kam ich nicht so schnell voran. Nach ungefähr 50 Kilometern hab’ ich wieder eine der zwei Labertaschen von der Fähre getroffen. Leider gab es wieder mal weniger erfreuliche Nachrichten. Von der Stadt, in die ich heute fahren, und von der ich morgen früh direkt die Fähre auf die nächste Insel nehmen wollte, fuhr heute Abend um 17 Uhr noch eine Fähre. Und dann erst wieder morgen um 16:30 Uhr. Uff. Ich war ziemlich schockiert und kam mit dem Gedanken, eventuell pausieren zu müssen, nicht klar. Obwohl mir klar war, dass ich die 17-Uhr-Fähre heute nicht schaffen würde, bin ich weitergefahren. Aber nach weiteren 20 Kilometern und der Realisation, dass Stress mir auch nicht helfen würde, habe ich dann erstmal eine Pause eingelegt und mir ein Käsebrötchen gemacht. Ich hab’ nach Alternativen gesucht. Aber es gab irgendwie nicht wirklich eine. Die Etappe mit dem Rad zu fahren, hätte mich 140 Kilometer und über 2000 Höhenmeter gekostet. Und dann wäre ich morgen Abend ja auch nicht weiter, als wenn ich mit der Fähre um 16:30 fahren würde.

Irgendwo fand ich dann online aber die Information, dass nachts um 2:50 Uhr ein Hurtigruten-Schiff die Strecke fahren würde. Weil ich wusste, dass Hurtigruten eigentlich eher Kreuzfahrten macht und weil mir die Uhrzeit ein bisschen dubios vorkam, zweifelte ich schon sehr an dieser Info. Aber den restlichen Tag klammerte ich mich daran fest, als wäre das meine einzige Möglichkeit, das Nordkapp zu erreichen. In Gedanken plante ich schon, am Fährterminal zu biwakieren und dann um 2:50 mit gepacktem Rad dazustehen. Weil ich wusste, dass ich dann nicht so den Zeitdruck hatte, war ich ein bisschen entspannter mit dem Fahrtempo.

In Førde fand ich einen ziemlich gut ausgestatteten Outdoor-Laden. Und der hatte genau eine Luftmatratze mit ähnlichem Packmaß wie der bisherigen. Die hab’ ich mir gekauft - zu einem erschwinglichen Preis. Direkt vor dem Laden landete die alte in der Tonne und ich quetschte die neue in meine Packtasche. Und dann fuhr ich weiter.

Und weiter. Und weiter. Der Nachmittag wurde ziemlich zäh. Es war natürlich wieder sehr schön, aber ein klitzekleines bisschen weniger atemberaubend, als die letzten Tage. Vielleicht war das auch ein Grund, wieso mein Handy die meiste Zeit in der Tasche blieb und ich viel weniger Fotos gemacht hab’. Vielleicht lag es auch daran, dass ich nur noch ziemlich geradeaus geschaut habe, während ich da so geradelt bin. Ich wollte endlich ankommen.

Als ich Abends um 21 Uhr in Florø am Fährterminal ankam, war ich durch. Online hab’ ich mir nochmal dieses vermeintliche Hurtigruten-Nachtschiff angeschaut. Meinen Grashalm. Und bei meiner Recherche merkte ich, dass für heute garkeine Tickets mehr verfügbar waren. Entweder ausgebucht oder garnicht vorhanden das Schiff. Ich musste tief seufzen. Als ich da auf der Bank saß; hungrig, kalt, verschwitzt und saumüde, fühlte ich mich plötzlich ganz arg leer. Im Hafengebäude bin ich aufs Klo und dort ziemlich erschrocken, als ich mein Spiegelbild gesehen hab’. Gefühlte 10 Jahre älter sah ich plötzlich aus. Und dann ging es ganz schnell.

Du verhältst dich jetzt mal, wie eine erwachsene Frau.

hab ich in Gedanken zu meinem Spiegelbild gesagt. Und dann bin ich raus, hab mir was angezogen und den Campingplatz in der Stadt angerufen, um zu fragen, ob die Rezeption noch offen sei. Und das war sie.

Als ich dort ankam und einen richtig toll ausgestatteten Platz vorfand, mit inkludierter Waschmaschine, Trockner und Küche mit warmem Aufenthaltsraum, war ich unglaublich erleichtert. Bei dem Gedanken, morgen eine Zwangspause einzulegen und wieder meine Kräfte auftanken zu können, hab’ ich gespürt, wie meine Reserve schon längst angebrochen war. Ich hätte ohnehin nicht mehr lange so durchhalten können. Und dann hab’ ich mich bis um 0:30 Uhr um mich und meine Akkus gekümmert. Ich hab mein Zelt aufgebaut, meine neue Luftmatratze aufgeblasen und ganz lang und heiß geduscht. Dann hab ich meine gesamte Dreckwäsche in die Waschmaschine gesteckt. Im Aufenthaltsraum hab ich mir Nudeln in einem Topf gekocht. Eine Riesen Portion. Und dann hab ich mir das, was angeblich eine Mahlzeit für zwei gewesen wäre, einverleibt. Das hat sich so unfassbar gut angefühlt.

Als ich vorher in meinen Schlafsack gekrochen bin, ohne einen Wecker für morgen zu stellen, war das das beste Gefühl der Welt.

Léoni

P.S.: Das ist übrigens die Aussicht von meinem Campingplatz!

Und ich weiß, jetzt wurde es doch ein ganz schön langer Post. Sorry.

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Tourdaten

KM gesamt: 2138,15

HM gesamt: 20336

Zeit gesamt: 114:00

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KM heute: 146,51

HM heute: 2193

Zeit: 8:23

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Ab heute gibt es auf Wunsch von Tante und Onkel hier immer noch den aktuellen Standort. Falls man auf der Karte mitverfolgen möchte.

Aktueller Standort

6908 Florø, NO

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